Häuserzeile Holländisches Viertel

War­um gibt es in Pots­dam, 500 km von den Nie­der­lan­den ent­fernt, ein Hol­län­di­sches Viertel?

Das hat meh­re­re Grün­de. Pots­dam ist, umge­ben vom Fluß­lauf und den Seen der Havel, auf einem sump­fi­gen Unter­grund mit hohem Grund­was­ser­spie­gel erbaut. Es ist auch heu­te ein tech­nisch anspruchs­vol­ler Baugrund.

Im Jah­re 1732 woll­te der preu­ßi­sche König Fried­rich Wil­helm I. (1688–1740), genannt der Sol­da­ten­kö­nig, sei­ne Resi­denz­stadt Pots­dam im Nor­den erwei­tern. Von zwei Bil­dungs­rei­sen in die Nie­der­lan­de kann­te er die Was­ser­bau­kunst der Hol­län­der, die ihr Land dem Meer abge­trotzt hatten.

Friedrich Wihelm I. von Preußen 1733
(1) Fried­rich Wil­helm I. (A. Pes­ne, 1733)

Er konn­te den hol­län­di­schen Bau­mei­ster Johann (Jan) Bou­man für die Pla­nung und Aus­füh­rung der Stadt­er­wei­te­rung gewin­nen, woll­te aber dar­über hin­aus auch hol­län­di­sche Hand­wer­ker zum Nut­zen sei­ner Resi­denz­stadt anwerben.

Damit sie sich in Pots­dam nicht so fremd fühl­ten, ließ Fried­rich Wil­helm zusam­men mit der Stadt­er­wei­te­rung ab 1733 vier car­rés mit Häu­sern im hol­län­di­schen Stil erbau­en. Die Hand­wer­ker soll­ten mit einem Wohn­recht in die­sen Häu­sern und ande­ren Pri­vi­le­gi­en bewegt wer­den, in die Mark zu kom­men. Der Erfolg war indes beschei­den: zu sei­nen Leb­zei­ten kamen nur vier hol­län­di­sche Fami­li­en in das neu erbau­te Viertel.

Nach sei­nem Tode wur­den unter sei­nem Sohn Fried­rich II. (dem Gro­ßen) bis 1742 die bei­den öst­li­chen car­rés des Vier­tels, auch die­ses Haus, fer­tigg­stellt und spä­ter noch die rei­cher geschmück­ten Häu­ser an der West­sei­te des Bas­sinplat­zes und in der Char­lot­ten­stra­ße hinzugefügt.

Gloriette auf dem Bassinplatz, Potsdam
(2) Glo­ri­et­te auf dem Bas­sinplatz um 1942

Auf dem Bas­sinplatz, süd­lich des Vier­tels gele­gen, befand sich ursprüng­lich ein gro­ßes Was­ser­becken, in das der Bau­platz des Hol­län­di­schen Vier­tels ent­wäs­sert wur­de. In der Mit­te des Bas­sins lag ein Pavil­lon, die Glo­ri­et­te, auf einer klei­nen Insel. Das Bas­sin ver­lan­de­te nach und nach und wur­de um 1870 trocken­ge­legt. Die Glo­ri­et­te über­stand alle Krie­ge, wur­de aber 1946 von den Sowjets zer­stört, um an ihrer Stel­le ein Denk­mal auf­zu­stel­len, das heu­te noch dort steht.

Das Vier­tel besteht aus Häu­sern ver­schie­de­ner Grund­ty­pen, unter denen die ein­fa­chen, drei­ach­si­gen Häu­ser mit den geschweif­ten Gie­beln am mar­kan­te­sten sind.

Giebelhäuser im Holländischen Viertel
Gie­bel­häu­ser in der Mittelstraße

Wie mir ein Hol­län­der erzähl­te, sind die Haus­fron­ten bei den hol­län­di­schen Vor­bil­dern schma­ler und stär­ker ver­ziert als hier in Pots­dam. Die älte­ste Häu­ser­zei­le des Vier­tels, die Süd­sei­te der Mit­tel­stra­ße zwi­schen Fried­rich-Ebert- und Ben­kert­stra­ße, zeigt eine Rei­he gleich­för­mi­ger Gie­bel­häu­ser, erst spä­ter wur­den ent­lang der Stra­ßen­zü­ge die Fas­sa­den stär­ker variiert.

Traufenhaus im Holländischen Viertel
Trau­fen­häu­ser in der Gutenbergstraße

Da sich erst nach der Jahr­hun­dert­wen­de Denk­mal­schutz für Pro­fan­bau­ten ver­brei­te­te, wur­den vie­le Häu­ser im 19. Jahr­hun­dert ver­än­dert: Man fin­det begra­dig­te Gie­bel, Auf­stockun­gen, grö­ße­re Fen­ster mit ande­ren Läden, Bal­ko­ne, Schau­fen­ster. Vie­le Fas­sa­den sind heu­te mit zie­gel­ro­ter Far­be über­stri­chen, um Aus­bes­se­run­gen aus anders­far­bi­gen Zie­geln zu über­decken. Auch mein Haus wur­de wäh­rend der Grün­der­zeit über­formt, das Bild unten zeigt es, und die Haus­tür erin­nert bis heu­te dar­an. Die rest­li­che Fas­sa­de wur­de bei der Restau­rie­rung des Hau­ses um 1990 wie­der ihrer barocken Ursprungs­form ange­nä­hert und erhielt ihre heu­ti­ge Gestalt.

Hebbelstraße 56 1936/2020
(3) Molt­ke­stra­ße (heu­te Heb­bel­stra­ße) 56 im Jah­re 1936 und heute

Im Zwei­ten Welt­krieg beim Bom­ben­an­griff auf Pots­dam durch die Roy­al Air Force in der Nacht des 14. April 1945 und durch lang­sa­men Ver­fall wäh­rend der DDR gin­gen sechs Häu­ser im Vier­tel ver­lo­ren, sie sind seit 1990 alle bis auf zwei (Guten­berg­stra­ße 69 und 81) wie­der auf­ge­baut wor­den. Auf dem lee­ren Grund­stück links neben mei­nem Haus soll bald das letz­te Haus die­ser Zei­le wie­der neu erstehen.

Kreuzung Benkertstraße Gutenbergstraße

Das Hol­län­di­sche Vier­tel hat eine leben­di­ge Mischung aus Woh­nen und Arbei­ten, es gibt vie­le Restau­rants und Cafés, Läden, Ate­liers, Werk­stät­ten. Es ist ein Vier­tel mit hoher Lebens­qua­li­tät und dank sei­ner zen­tra­len Lage auch ein guter Aus­gangs­punkt für Ihre Unternehmungen.

Text und Foto­gra­phien © 2021 Ernst Eimer. Ver­viel­fäl­ti­gung nicht gestat­tet.
Bil­der (1), (2) und (3): gemeinfrei

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